Digital Lehren und Lernen - Michael Atzwanger im Gespräch

Worauf kommt es in der digitalen Lehre an? Wie gestaltet man Online-Vorlesungen interaktiv? Michael Atzwanger, Experte für Medienbildung an der PHDL, erzählt von Tools für die digitale Lehre und gibt einen Ausblick darüber, wie die Corona-Krise die digitale Lehre verändern wird.

04.05.2020

von Isabella Zick

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Seit 13. März sind die österreichischen Hochschulen laut den Corona-Bestimmungen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung geschlossen. Auch an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz (PHDL) wird seitdem von zu Hause aus gelernt und gearbeitet - so auch Michael Atzwanger, Leiter des Instituts für Medienbildung. Doch diese Zeit im Homeoffice wird von Atzwanger und seinem Team sehr sinnvoll genutzt: Innerhalb weniger Tage hat die PHDL ein Fortbildungsprogramm für Distance Learning entwickelt, das Lehrer*innen und Hochschul-Mitarbeiter*innen fit für die digitale Lehre machen soll.

Im Interview erzählt Michael Atzwanger vom Umstieg auf die Distanzlehre an der PHDL, von nützlichen Tools für interaktiven Unterricht und seinen Hoffnungen für die Lehre nach der Corona-Krise.

Seit rund sechs Wochen wird an Hochschulen nun schon von zu Hause aus unterrichtet. Besonders der Umstieg von Präsenz- auf Distanzlehre stellte anfangs eine Herausforderung dar. Wie haben Sie diese Phase an der PHDL erlebt?

Michael Atzwanger: An der PHDL hat der Umstieg gut und ohne große Probleme funktioniert. Wir betreiben schon seit langem und intensiv unsere Moodle-Plattform, da man hier schnell in einen guten schriftlichen Kontakt mit den Studierenden kommt. Ein kleines Hindernis in der Anfangszeit war Big Blue Button [Anm. Tool für Web-Konferenzen, Teil von Moodle], weil der Server schnell an der Kapazitätsgrenze war. Wir sind dann auf Google Hangout Meet innerhalb der GSuite und Microsoft Teams umgestiegen. Diese beiden Systeme haben sich bei uns in der Lehre gut etabliert und nach eigenen Schulungen für diese Videokonferenz-Tools gab es keine Probleme mehr. Mit den Studierenden ist es sowieso ganz unproblematisch - für sie funktionieren die Tools super.

Welche Unterschiede zwischen Präsenz- und Distanzlehre haben Sie in dieser Zeit bereits feststellen können?

Atzwanger: Interessant ist, dass, laut Rückmeldungen und nach eigener Erfahrungen, die Präsenz online weitaus höher ist als bei den Präsenzveranstaltungen früher. Es sind alle da, frühmorgens vielleicht noch mit dem Kaffee, aber vollzählig. Innerhalb der Online-Seminare gibt es auch interessante Entwicklungen: Die Studierenden scheinen wesentlich konzentrierter und ungestörter zu arbeiten. Das hält eine Zeit lang an, aber nicht länger als 3 Stunden - ab da wird es kritisch. Die Einheiten sollten daher kurz und knackig sein und es braucht Abwechslung zum Beispiel mit verschiedenen Tools.

Welche Tools können Sie denn für “ein bisschen Abwechslung” im Online-Seminar empfehlen?

Atzwanger: Damit die Studierenden nicht nur “vorm Kastl” sitzen und sich den Vortrag anhören müssen, verwende ich viele verschiedene Tools. Ich erstelle gerne gemeinsam mit den Studierenden eine virtuelle Pinnwand über Padlet oder ein Stimmungsbarometer (z. B. von Mentimeter), um Meinungen einzuholen. Außerdem stelle ich Fragen über Socrative und veranstalte Quizzes über Quizlet oder Kahoot. Das ist immer eine willkommene Abwechslung für die Studierenden, löst Anspannungen und bringt Spaß in den Unterricht.

Mit Mentimeter können Vortragende einfach die Meinungen der Studierenden einholen. - Foto: Studo

Auch wenn die Distanzlehre mit Tools wie diesen sehr abwechslungsreich ist: Wie erfolgreich kann Distanzlehre sein? Und was sind die Grenzen?

Atzwanger: Eines vorweg: Distanzlehre kann Präsenzlehre nicht vollständig ersetzen. Wir nehmen uns aber vor, die Vorteile aus der Distanzlehre in die Zeit nach der Krise mitzunehmen. Vorteile sind die gesparte Fahrzeit oder, dass man in der Früh nicht im Stau stehen muss, um zur Vorlesung zu kommen. Sobald eine Lehrveranstaltung intensiven sozialen Kontakt braucht, kommt die Distanzlehre an ihre Grenzen. Interaktionen und Erlebnisse - das kann auch schon die Atmosphäre im Vorlesungsraum sein - sind in der Distanzlehre nur mit Abstrichen möglich.

Stichwort: Zeit nach der Krise. Wie wird die Corona-bedingte Distanzlehre die Hochschulen nach der Krise verändern?

Atzwanger: Wir Hochschulen wünschen uns natürlich, dass man “nach der Krise” überlegt, welche ökonomischen, didaktischen und pädagogischen Lehren man aus der Zeit mitnehmen und in die Organisation einfließen lassen kann. Fortschritte wird es auf jeden Fall bei der Nutzung digitaler Tools in der Lehre geben - bei Hochschulen und Schulen.

Auf welche Weiterentwicklungen in der digitalen Lehre hoffen Sie?

Atzwanger: Ich hoffe, dass die Möglichkeiten von Videokonferenz- und Video-Streaming-Systemen besser genutzt werden. Dadurch können sich die Studierenden dann Vorlesungen ansehen, wenn sie Zeit haben. Auch die Zusammenarbeit über kollaborative Systeme im pädagogischen und organisatorischen Bereich soll ausgebaut werden. In unserem Distance-Learning-Fortbildungsprogramm zeigen wir gerade vielen Schulen und Verwaltungseinheiten, wie sie im Homeoffice zusammenarbeiten können. Das war auch für mein Team eine neue Erfahrung: Dieses Online-Seminarprogramm wurde innerhalb von drei Tagen von 24 Personen auf die Beine gestellt. Kein einziges Präsenztreffen hat stattgefunden, alles im Homeoffice. Gearbeitet wurde über Videokonferenzen, Anrufe und gemeinsame Dokumente. Mein Fazit: Da gibt es noch viel Nachholbedarf und viel zu lernen.

Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in die Distanzlehre an der PHDL!

Prof. Michael Atzwanger leitet das Institut für Medienbildung an der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz und das Fachdidaktikzentrum RECC – Informatik und Digitale Medien in OÖ.

Mehr über das Distance-Learning-Fortbildungsprogramm der PHDL erfahren Sie hier.

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