Motivierte Studierende, die über den Hörsaal hinaus die Werte und das Leitbild der eigenen Hochschule leben, die sich über die Maßen für akademische Erfolge und Projekte engagieren und auch nach dem Abschluss als Botschafter*innen für ihre Alma Mater auftreten. Diese Wunschvorstellung von Studierenden und Alumni*ae haben viele Hochschulen. Doch wie können Hochschulen diese ideale Verbundenheit mit der eigenen Institution und das Engagement im Studium fördern, welche Vorteile entstehen durch Student Engagement und welche Herausforderungen können den Weg dahin erschweren?
Was ist Student Engagement?
Als Student Engagement bezeichnet man das Maß an Aufmerksamkeit, Interesse, Identifikation und emotionale Verbundenheit, das Studierende gegenüber ihrer Hochschule oder ihrem Studium empfinden. Förderer von Student Engagement sind davon überzeugt, dass sich ein positives Studierendenerlebnis nicht nur auf die akademischen Leistungen der Studierenden auswirkt, sondern eine Hochschule langfristig von dieser positiven Bindung zu ihren Studierenden profitiert.
Vorteile von Student Engagement für Hochschulen, Lehrende und Studierende
Hochschulen, die die wachsende Bedeutung von Student Engagement für sich nutzen wollen, arbeiten innerhalb ihrer Hochschulstrategie aktiv daran, die Partizipation von Studierenden zu fördern. Schließlich winken neben einer besseren Studierendenbindung als Gewinn auch steigende akademische Leistungen – sprich: mehr geleistete ECTS –, eine höhere Abschlussquote und ein Anstieg der Inskriptionszahlen durch die gewonnene positive Reputation. Auch Lehrende profitieren unmittelbar von einer größeren Motivation und Partizipation der Studierenden. Engagierte und motivierte Studierende, die sich mit Neugier in Lehrveranstaltungen einbringen, können ihr Wissen besser festigen und schlussendlich bessere Leistungen und Noten erreichen.

Selbstverständlich profitieren auch Studierende von der Partizipation im Studium. Für sie wirken die Vorteile aber über das Campusleben auch auf das Privatleben hinaus. Denn: Eine gelebte Gemeinschaft im Studium stärkt nicht nur das Durchhaltevermögen und die Stressresistenz, sondern fördert auch das eigene Selbstbewusstsein und mentale Wohlbefinden von Studierenden. Studentische Partizipation kann diverse Ausprägungen annehmen: Sie reicht von akademischem Engagement in den Lehrveranstaltungen über extracurriculare Aktivitäten in studentischen Initiativen und Vereinen bis zur langfristigen Identifikation mit der Alma Mater, die sich in einer nachhaltigen Alumni-Beziehung manifestiert.
Digitalisierung, Überforderung, Zeitenwandel: Herausforderungen für Student Engagement
Student Engagement zu fördern ist ein langfristiges Ziel, das von vielfältigen Faktoren – von institutionellen Herausforderungen über die persönliche Bereitschaft der Studierenden bis hin zu aktuellen gesellschaftlichen Trends – beeinflusst und herausgefordert wird. So befinden wir uns beispielsweise aktuell in einer Zeit, in der die Diversifizierung von Bildungsangeboten und die Individualisierung von Studien vorangetrieben werden. Studierende sollen zu ihren eigenen Bedingungen, an jedem Ort und zu jeder Zeit ihre Studien vorantreiben können. Die Digitalisierung allgemein und die – nicht zuletzt durch die Coronapandemie vorangetriebenen – Möglichkeiten der Fernlehre bieten eine Alternative zum klassischen Präsenzstudium mit Vorlesungen im Hörsaal, Lernen in der Uni-Bibliothek und Prüfungen am Campus.

Ungeachtet der Potenziale digitaler Lernumgebungen und hybrider Bildungsmodelle ergeben sich dadurch auch Herausforderungen für das Student Engagement: Was für die einen eine große Errungenschaft im Sinne der Zugänglichkeit von Hochschulbildung ist, bedeutet für andere digitale Entfremdung und Isolation im Studienleben. Ohne die physische Nähe zur Hochschule, zu Kommiliton*innen und dem Campusleben ist es signifikant schwieriger, eine persönliche Bindung zur Hochschule aufzubauen. Darunter leidet Student Engagement.
Ebenfalls sorgen mentale Belastungsfaktoren wie Leistungsdruck, Stress und finanzielle Sorgen für Überforderung im Studium. Studierende ziehen sich ob dieser Belastungen zurück und die Partizipation im Studium verringert sich – nachgewiesen beispielsweise vom jährlich publizierten Student Mental Health Barometer. Darüber hinaus lassen höhere geforderte Leistungen weniger Zeit und Raum für ehrenamtliches Engagement außerhalb des regulären Curriculums, beispielsweise in studentischen Vereinen oder Clubs. Einrichtungen, die aber für das Campus-Leben eine entscheidende Rolle spielen.
All diese Faktoren erschweren den Beziehungsaufbau zur Hochschule und zur jeweiligen Studierendengemeinschaft. Sobald sich Studierende weniger zugehörig fühlen bzw. sich weniger mit ihrer Hochschule identifizieren, fällt es ihnen auch leichter, ein Studium schleifen zu lassen oder im schlimmsten Fall abzubrechen.
Student Engagement: Ein strategische Entscheidung
Die Potenziale von Student Engagement sind enorm – für eine Hochschule als Institution, für Lehrende und für Studierende. Dem gegenüber stehen aber zahlreiche Herausforderungen, denen man als Hochschule entgegenwirken muss, um eine aktive, partizipierende Studierendenschaft aufzubauen. Es sind langfristige, strategische Entscheidungen, die auf dem Weg zu einem erhöhten Student Engagement getroffen werden müssen:
Soll eine Institution weiterhin auf Lehre in Präsenz setzen oder möchte man online, blended oder asynchron lehren? Gibt es genügend Raum für Studierende, um am Campus in Kontakt zu treten – sowohl für gemeinsames Lernen und Arbeiten als auch für Freizeit – oder sollen weitere Begegnungsräume geschaffen werden? Wie sollen Lehrende und Hochschulmitarbeitende Student Engagement fördern? Werden Studierende als Nutzer*innen von Bildungsangebot oder als „Bildungskund*innen“ betrachtet, die serviciert werden sollen?
Jede Hochschule beantwortet diese Fragen und priorisiert Student Engagement unterschiedlich. Fakt ist: Die Förderung von Student Engagements ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zu einem lebendigen Campus, mehr Leistungsbereitschaft und Identifikation mit einer Hochschule.
Neugierig geworden? Weitere Einblicke in das Thema Partizipation in der Hochschule liefern beispielsweise das Hochschulforum Digitalisierung oder die beiden von der Zeitschrift für Hochschulentwicklung publizierten Paper von Hofhues et al. (Thema: Studentische Partizipation) und Bucher et al. (Thema: Formelle und Informelle Partizipation von Studierenden für ein gelebtes Qualitätsmanagement).