Ein Jahr Corona: Was haben Studierende gelernt?

Homeoffice statt Hörsaal. Seit einem Jahr dominiert Corona auch die Frage, wie und wo studiert wird. Was haben Studierende in diesem Jahr gelernt? Ein Rückblick auf den mal gelungenen, mal schwierigen Umstieg auf digitale Lehre, die Herausforderungen des Studierens daheim und Möglichkeiten für die digitale Lehre der Zukunft.

16.03.2021

von Isabella Zick

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„380.000 Studierende bleiben spätestens ab Montag zu Hause”, titelte derStandard.at am 11. März 2020. Ein Jahr später sind eben diese 380.000 Studierenden noch immer im Homeoffice. Die Corona-Krise machte über Nacht den Unterricht am Hochschul-Campus unmöglich und sorgte für tiefgreifende Veränderungen im Studium. In der Blog-Serie „Ein Jahr Corona: Was haben wir gelernt?” werfen wir einen Blick auf die Neuerungen und Erkenntnisse, die die Pandemie bewirkt hat. Heute im Fokus: die Studierenden.

Präsenz zu digital: Ein radikaler Umstieg

16. März markiert den offiziellen Beginn des Distance Learnings. Ein Tag, der mit ganz unterschiedlichen Gefühlen begangen wurde: Verständnis, Unsicherheit, Angst – drei Emotionen, die wohl bei ganz vielen Menschen am Beginn der Pandemie allgegenwärtig waren. Die Studierenden fühlten sich unsicher im Bezug auf den weiteren Verlauf der Pandemie aber auch ihres Studiums. Ob Kurse, Prüfungen, Auslandssemester so stattfinden konnten, wie geplant, stand zu diesem Zeitpunkt sprichwörtlich in den Sternen. 56 % der Studierenden gaben bei unserer ersten Studierendenbefragung zur Corona-Pandemie im März 2020 an, dass die aktuelle Situation bei ihnen Gefühle der Angst oder Panik auslöst. Einher mit dieser Angst vor dem Coronavirus ging auch ein dementsprechend großes Verständnis für die Schließungen der Hochschulen. 97 % der im März 2020 befragten Studierenden fanden es richtig, die Präsenzlehre an den österreichischen Hochschulen als Maßnahme gegen das Coronavirus einzustellen.

Wie wurde die digitale Lehre umgesetzt? Bereits etablierte Lernmanagementsysteme wie beispielsweise Moodle, Ilias oder Blackboard wurden an den Hochschulen durch Videokonferenz-Software oder Plattformen für Videostreams ergänzt. Hier wurden am häufigsten Microsoft Teams, Webex, Skype und Zoom eingesetzt (wir berichteten). Die Studierenden waren teils sehr offen für die digitale Lehre und sahen auch das große Potenzial für Blended Learning in der Zukunft. Andere waren von der Workload im Selbststudium zu Beginn überfordert und fühlten sich von Professor*innen, die ihre Lehrmittel nicht digital zur Verfügung stellten, allein gelassen. Der Grundtenor war aber sehr positiv: "Im Sinne der Krise, halte man die paar Wochen im Distance Learning aus" (derStandard, vom 11. März 2020).

Aus einem Corona-Semester wurden drei

Doch die paar Wochen dehnten sich aus und aus einem Corona-Semester wurden drei. Die Studierenden erkannten das Bemühen ihrer Hochschulen, die digitale Lehre stetig zu verbessern, und sind heute auch sehr zufrieden (siehe Umfrage vom Dezember 2020 und Befragung des BMBWF) mit den E-Learning- und Distance-Learning-Möglichkeiten. Die digitale Lehre funktioniert also sehr gut und ermöglicht den Studierenden, ihr Studium mit möglichst wenig Verzögerung zu absolvieren. Die Studierenden haben gelernt, dass sie sich auf ihre Professor*innen und ihre Hochschule verlassen können – genauso umgekehrt: Die Studierenden haben unter Beweis gestellt, dass digitaler Unterricht und digitale Prüfungen möglich sind. Wichtig sind das gegenseitige Verständnis und der Respekt für die Situation, in der sich Studierende und Lehrende in dieser außergewöhnlichen Zeit befinden.

Die digitale Lehre funktioniert für zwei Drittel der Studierenden sehr gut.

Wo sind die schönen Seiten des Studienlebens?

Respekt für den Umgang mit der Corona-Krise haben sich die Studierenden auf jeden Fall verdient. Als junge, gesunde Gruppe, die oftmals im Verruf ist, nur Party machen zu wollen, hat es oft den Anschein, die Studierenden hätten kein Recht darauf, öffentlich auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Dass sie stattdessen aber seit Monaten alleine von zu Hause aus studieren, viele ihre Jobs verloren haben und dadurch die Finanzierung des Studiums eine Herausforderung geworden ist, ist selten Teil des öffentlichen Diskurses rund um die Corona-Pandemie. Wo sind sie also, die schönen Seiten des Studienlebens?

Diese Frage stellten sich wohl viele Studierenden – vor allem aber Erstsemestrige, die erstmals in diese neue „schönste” Zeit des Lebens eintauchen wollten. Corona verhinderte Partys und das Kennenlernen am Studienbeginn. Bei älteren Studierenden sorgte es dafür, dass Abschlussprüfungen online abgehalten und Graduierungsfeiern abgesagt wurden. Lange geplante Pläne vom Auslandssemester wurden auf Eis gelegt und einen neuen Job nach dem Studium zu finden, entwickelte sich zur Herkulesaufgabe.

Was vielen Studierenden fehlt: Treffen mit den Studienkolleg*innen.

Ja, die Voraussetzungen für die digitale Lehre sind sehr gut. Aber deswegen ist die Situation von Studierenden nicht viel einfacher geworden. Nur ein Viertel der Studierenden fühlt sich aktuell mit den Studienkolleg*innen verbunden. Aus dem gemeinsamen Lernen in der Lerngruppe ist eine einsame Sache geworden und nach über einem Jahr der digitalen Lehre wird es immer schwieriger, Antrieb und Motivation für das Studium zu finden.

Mentale Gesundheit von Studierenden

Eine der großen Nebenwirkungen der Pandemie sind die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der gesamten Gesellschaft. Und bei den oben genannten Herausforderungen von Studierenden ist die Schlussfolgerung klar: auch die mentale Gesundheit von Studierenden wird aktuell auf die Probe gestellt. „Welche Gefühle löst der zweite Lockdown bei dir aus?”, haben wir in unserer Studierenden-Befragung im Dezember 2020 gefragt. Einsamkeit, Frustration, Überforderung und Hoffnungslosigkeit sind nur einige Beispiele für das Gefühlschaos im Lockdown. Die Ergebnisse dieser Befragung stießen auch auf großes mediales Interesse.  Der Standard, die Kronen Zeitung oder das Moment Magazin, aber auch Fachzeitschriften wie Psychologie in Österreich griffen die Umfrageergebnisse auf.

Wie geht es weiter?

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) spricht im aktuellen Leitfaden für das Sommersemester von einer behutsamen Wiedereinführung des Präsenzbetriebs. Möglich wird das beispielsweise durch Teststraßen direkt an den Hochschulen – denn das Testen gilt als  „Game Changer”. Mit einem negativen Test als Eintrittskarte sollen bestimmte Lehrveranstaltungen und Prüfungen wieder möglich sein.

Die wohl wichtigste Lektion, die Studierende im Laufe der COVID19-Pandemie gelernt haben, ist, dass das Studieren eine höchst soziale Sache ist. Ein Studium ist mehr als gestreamte Vorlesungen und Skripte zum Download – ein Studium lebt vom Diskurs mit Professor*innen und Kolleg*innen, von Begegnungen am Campus und Erkenntnissen in Labors, Lerngruppen und Kursen. Die digitale Lehre machte es möglich, diese herausfordernde Zeit angemessen für das Studium zu nutzen – und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Aber das Ökosystem Hochschule braucht die soziale Interaktion, daran führt kein Weg vorbei.

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